Exk. mit Rainer Ernst - Ornithologischer Verein Gais AR

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Exk. mit Rainer Ernst

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Unsere gefiederten Freunde - die Vögel

Hätten sie Lust, mit uns einen virtuellen Ausflug durch unser Dorf auf den Sommersberg und zurück zu machen?
Hätten sie Lust, auf diesem Abschnitt unsere hiesige Vogelwelt etwas kennen zu lernen?
Dann sind sie herzlich eingeladen!
Wir beginnen unsere Wanderung auf dem alten Schulhausplatz. Ganz in der Nähe, im reizvollen Rhän-Pärkli, können wir sehr schöne, teils seltene Geflügelarten bewundern. Wo es Hühner hat, gibt es auch "Mitpicker" und beim näheren Hinschauen entdecken und hören wir eine kleine Gruppe tschilpender Hausspatzen. Ein sehr schöner, lieblicher Vogel, man muss ihn nur genauer betrachten. Oben auf der Umzäunung sitzt  ein Buchfink und lässt uns  seinen unverwechselbaren Gesang hören.

Eigentlich müssten hier, im Vergleich zu anderen Jahren, Mehlschwalben zu sehen sein. Wir suchen sie vergeblich und ihre Nester unter dem Vordach der Leichathletikhalle sind alle leer, teils zerstört oder von Spatzen belegt. Was mag wohl der Grund für ihr Fehlen sein?
Auf dem Weg in Richtung Atzgras hören wir plötzlich über unseren Köpfen ein rasch näherkommendes, scharfes "srii, srii, srii". Das können nur Mauersegler sein! Wie eine Jagdstaffel im Formationsflug schiessen sie auf eine Häusergruppe zu, ziehen im letzten Moment nach oben, um dann in einem messerscharf gezogenen Radius hinter dem nächsten Dachgiebel zu verschwinden.
Der Lebensraum der Mauersegler ist der Luftraum. Bei Flugspielen erreichen sie Geschwindigkeiten von über 200 km/h. Mit Ausnahme der Brutzeit verbringen die Vögel ihr ganzes Leben in der Luft: Sie sammeln Nistmaterial, putzen sich, ja selbst die Begattung geschieht teils in der Luft. Am Abend steigen sie in Höhen bis 3600 m auf, verbringen dort die Nacht in einer Art Halbschlaf und sind bei Sonnenaufgang - bei schönem Wetter - wieder über unseren Dörfern.

Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf eine Vogelstimme mit oft krächzendem Abschluss. Ganz  aussen, auf einem Dachgiebel wippend, entdecken wir den Sänger. Unsere Vermutung bestätigt sich. Es ist ein älteres, sehr dunkel gefärbtes Hausrotschwanz-Männchen.
Eine Vogelfreundin zeigt uns voller Stolz und Freude das Brutgelege eines Grauschnäppers an ihrem Haus. Zu unserer Überraschung an einem für uns äusserst gut einsehbaren Standort.
In respektvollem Abstand bleiben wir vom Nest entfernt, denn wir spüren, wie er uns ängstlich über den Nestrand hinweg beäugt.
Grauschnäpper sind Ansitzjäger, das heisst, sie sitzen auf einem Zaunpfahl, einem Ast, kurzum auf einer Warte mit freiem Ausblick, fliegen dann plötzlich hinter einem Insekt her und packen es im freien Flug mit ihrem feinen, spitzen Schnabel.
Weiter geht's dem Rotbach entlang in Richtung Schwimmbad. Ein spezielles Augenmerk legen wir auf die angebrachten Nistkästen. Bei der letzten Reinigung und Kontrolle im Herbst durften wir feststellen, dass sie recht gut angenommen wurden, das heisst, dass mit Erfolg gebrütet wurde. Eben sehen wir, wie eine männliche Kohlmeise anfliegt und im Kasten verschwindet. Vermutlich ist das Weibchen beim Brüten und das Männchen versorgt sie mit Nahrung. Die Jungen werden dann von beiden Eltern gefüttert. Während einer Brut müssen die Altvögel 8'000 bis 10'000 Raupen, Insekten und andere Weichtiere herbeischaffen, um die Jungen satt zu kriegen. Ein Glück für jeden Gärtner, wenn so natürliche Schädlingsbekämpfer in seinem Garten hausen.

Beim Betrachten einer grossen, alten Buche entdecken wir einen äusserst versierten Kletterer. Flink wie ein Wiesel läuft er rund um den Baumstamm herum nach oben, immer wieder kurz anhaltend, um Insekten von der Borke weg zu picken. Oben angelangt, geht's genau so behende, kopfvoran wieder hinunter - unterbrochen von seitlichen Ausflügen auf die gewaltigen Äste. Ohne Zweifel ein Kleiber, wunderschön gefärbt und in seinem ganzen Wesen ein interessanter Geselle. So werden z.B. zu grosse Einfluglöcher einfach zugemauert und sein Gesangsrepertoire ist absolut beeindruckend. Kleiber besuchen im Winter gerne Futterstellen, wobei sie besonders die aufgehängten Meisenknödel lieben.

Plötzlich werden wir auf ein Gezeter im Luftraum über uns aufmerksam. Wir sehen, wie eine Krähe (Rabenkrähe) einen Mäusebussard im Sturzflug attackiert. Geschickt weicht dieser den Angriffen aus oder dreht sich halb auf den Rücken, um die Krähe mit den Fängen abzuwehren.
Doch diese bleibt nicht lange alleine, sie bekommt Unterstützung durch viele Artgenossen und dementsprechend steigt auch der Lärmpegel. Der Bussard erkennt, dass die Situation für ihn jetzt gefährlich wird und beschliesst, das Feld zu räumen. Ein weiteres Beispiel, welches auf den hohen Intelligenzgrad der Rabenvögel hinweist.

Über unseren Köpfen wird es wieder ruhiger. Eine lockere Gruppe kleinerer Vögel zieht zwitschernd im Wellenflug über uns hinweg. Uns fällt das schöne Gelb in den Flügeln auf. In einer Staudengruppe lassen sie sich nieder und ein Blick durch den Feldstecher entlockt uns allen ein: Oh, wie schön! Es sind in ihrer Farbenpracht exotisch anmutende Distelfinke auf der Suche nach Sämereien.
Auf unserm weitern Weg in Richtung Hebrig/Egg sehen und hören wir noch einige andere Vögel, wie z.B: das oft metallisch klingende Rufen der Kohlmeise, der typische Kontakt- und Alarmruf des Buchfinken, das langgezogene Rätschen des Grünfinks (ihre Ruf- und Gesangsrepertoires sind sehr vielfältig).

Am Südhang oberhalb der Egg schauen wir den Flugkünsten der Schwalben zu. Es sind Rauch-
schwalben, was an ihren beiden langen Schwanzfedern leicht zu erkennen ist. Diese Art Schwalben nisten im Gebäudeinnern, so z.B. in bewirtschafteten Ställen und Scheunen. Leider fallen sie mit dem Höherwerden des Heustockes oft den Katzen und Mardern zum Opfer. Mit enormer Wendigkeit gleiten sie bei der Futtersuche dicht über die Weideflächen dahin, d.h. sie fliegen tief. Nach alter Erkenntnis bedeutet dies: Es gibt Regen, oder was für die Vogelbrut nicht gut wäre, Regen und Kälte.

Unser Weg führt uns weiter auf den Sommersberg. Vor dem Einbiegen in den Wald begrüsst uns eine echte Schwatzbase aus der Vogelwelt - das muss eine Grasmücke sein. Wir suchen sie im Buschsaum zu unserer Linken, wohlwissend, dass sie nicht immer leicht zu finden ist. So lebhaft wie ihr Gesang ist, so quirlig ist sie selber und zudem recht unauffällig gefärbt.
Doch dann entdecken wir sie: Wie vermutet ist es eine männliche Mönchsgrasmücke mit typischer, tiefschwarzer Kopfplatte. Im Hintergrund vernehmen wir das einfache Rufen eines Zilpzalps und auf dem Spitz einer Fichte sehen und hören wir eine Singdrossel.
Und dann haben wir Glück: Vom Hirschberg herüber ertönt der Ruf des Kuckucks. Eine gewisse Wehmut macht sich in unseren Herzen breit, denn Kindheitserinnerungen werden wieder wach. In wie vielen Kinderliedern und Kinderbüchern wird der Kuckuck doch besungen bzw. beschrieben. Entsprechend traurig stimmt uns die Tatsache, dass dieser Vogel vielerorts in der Schweiz nicht mehr beheimatet ist - das gilt teils auch für das Appenzellerland.
Gründe dafür gibt es viele, so z.B. der Verlust der Nahrungsgrundlage und der stete Rückgang der Wirtsvögel, die für ihn das Brüten übernehmen.
Der Kuckuck ernährt sich fast ausschliesslich von Insekten, hauptsächlich von stark behaarten Schmetterlingsraupen, die andere Vögel eher verschmähen.                      
So sind die Raupen der Schmetterlinge, z.B. des Admirals, des Tagpfauenauges, des kleinen Fuchses oder des Landkärtchens mit Brennhaaren versehen und sie sind zu ihrer Entwicklung auf grössere Brennnesselbestände angewiesen. Fehlen diese Bestände, dann fehlt das wichtigste Glied in der Nahrungskette des Kuckucks. Fehlen dann auch noch die Lebensräume der Wirtsvögel - namentlich Feuchtgebiete, Hochstaudenfluren, Magerwiesen, Hecken und Feldgehölze - dann warten wir vergeblich auf sein Rufen!

Nun geht's in den Wald hinein. Hier suchen wir gezielt nach Spechthöhlen. Im Nadelwald sind sie zu finden an gesunden oder morschen, evtl. vom Wind geknickten Tannen- Fichten- oder Lärchenstämmen. In dieser Gegend ist der Buntspecht zu Hause. Er ist, was Lebensraum und Nahrung anbelangt, weniger anspruchsvoll als andere Spechtarten. Tierische Nahrung gewinnt er durch Behacken von Stämmen, Ästen, Baumstrünken und Totholz, um holzbewohnende Insekten bzw. deren Larven freizulegen. Gelegentlich stattet er auch den grossen Waldameisen einen Besuch ab.
Der Buntspecht ist auch dafür bekannt, dass er richtige Spechtschmieden anlegt. Fichten-, Föhren-
und Lärchenzapfen sowie Nüsse werden zu den Schmieden transportiert, dort eingeklemmt und aufgehackt, um die Samen zu ernten. Im Moment ist von ihm aber nichts zu sehen und nichts zu hören.

Auch der Schwarzspecht kann bei uns gesehen werden, jedoch viel seltener. Er bevorzugt aufgelockerte Baumbestände mit starken, astarmen Bäumen, viel Alt- und Totholzanteil sowie reichliches Ameisenangebot. Auch er frisst rinden- und holzbewohnende Insekten, wozu er mit wuchtigen Schlägen insektenbefallene Bäume entrindet sowie morsche Baumstrünke und Totholz bearbeitet. Wie nützlich diese Tiere sind, zeigt folgendes Beispiel: Um den Nahrungsbedarf von drei Nestlingen bis zum Ausfliegen zu decken, bedarf es schätzungsweise 150'000 -180'000 Insekten.

Hier im geschlossenen Wald sind kaum Grünspechte zu erwarten, denn sie bevorzugen lichten, unterbrochenen Waldbestand mit angrenzendem Wiesland. Der Grünspecht sucht seine Nahrung meist am Boden. Im Winter kann er tiefe Gänge durch den Schnee treiben, um zum Gangsystem der Ameisen zu gelangen. Mit seiner langen, klebrigen Zunge ist er bestens ausgerüstet, um die Insekten aus ihren Gängen zu angeln. Der laut lachende Balzruf des Männchens "klüh-klüh-klü-klü-klü-klü-klüklü..." ist vor allem im März und April über weite Strecken zu hören.

Auf der Höhe des Sommersbergs, mit freier Sicht ins Rheintal, vernehmen wir den feinen, wiehernden Ruf eines Milans. Er sucht am sonnenbeschienenen Südhang nach Aufwinden. Offensichtlich hat er eine Thermiksäule gefunden. Ohne einen einzigen Flügelschlag kreist er in diesem Warmluftschlauch und lässt sich ohne Energieaufwand in die Höhe tragen - ein herrlicher Anblick, so was nennt man fliegen. Die schmalen, langen, stark gewinkelten Schwingen und der tief gegabelte Schwanz weisen eindeutig auf einen Rotmilan hin. Sehr schön zu erkennen sind auch die grossen, weisslichen Flecken auf den inneren Unterhandflügeln.
Der Rotmilan ist nach Bartgeier und Steinadler der drittgrösste einheimische Greifvogel. Seine Flügelspannweite kann bis zu 1.90 m betragen.


Beim Äusseren Sommersberg, am Wendepunkt unserer kleinen Wanderung, führt der Weg nochmals in den Wald hinein. An dieser Stelle könnten wir mit etwas Glück dem Goldhähnchen begegnen. Wir bleiben stehen, verhalten uns still und horchen. Vorerst ist alles ruhig, doch dann vernehmen wir ein ganz feines, sehr hohes "zü-zi-zi-zi-zi-zi-zi-zirr". Der Gesang ist leicht ansteigend, was auf ein Sommergoldhähnchen schliessen lässt. Die Rufe sind für ältere Menschen oft nicht mehr hörbar.
Aufmerksam beobachten wir die Fichtenzweige und plötzlich sehen wir ein kleines Etwas, welches hastig die Zweigoberseiten nach kleinen, fressbaren Insekten absucht. Dann ein blitzschneller, wendiger Schwirrflug und das Absuchen beginnt hängend an den Zweigunterseiten. Nach einigen erfolglosen Versuchen, das quirlige Etwas in den Feldstecher zu bekommen, gelingt uns doch dessen Identifizierung: Es ist ein männliches Sommergoldhähnchen, klar zu erkennen am orangen Scheitelstreif. Die Winter- bzw. Sommergoldhähnchen sind mit 4-8 Gramm die kleinsten Vögel Europas.

Auf unsrem kleinen Ausflug haben wir doch einige Vögel zu Gesicht bekommen oder wir haben mindestens ihr Vorhandensein feststellen dürfen - so z.B. die Tannenmeise und den Zaunkönig.  Andere haben uns kein Stelldichein geben können, weil sie bei uns einfach keinen Brutraum mehr finden, wie  z.B. die Feldlerche oder der Wiesenpieper als typische Bodenbrüter. Die Bodenbrüter haben bei der heutigen Intensivbewirtschaftung der Wiesenflächen keine Chance, auch nur eine einzige Brut aufzuziehen. Doch bevor wir zu unserem Ausgangspunkt zurück kehren, wollen wir noch eine Schlussbetrachtung machen.

Das Wintergoldhähnchen ist scheinbar etwas robuster und verbringt die kalte Winterzeit bei uns.
Ein Vogel dieser Grösse muss Erstaunliches leisten, um seine Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Jeden Tag braucht er Nahrung im Umfang seines eigenen Körpergewichts. Während der kurzen Wintertage muss er in 6 - 7 Stunden genügend Insekten fangen, um die rund 17-stündige Nacht bei teils eisiger Kälte zu überstehen. Hie und da frisst es auch Fettreste an Futterstellen.      
Ein anderes Beispiel: Ein junger Mauersegler kennt keine Führungszeit, d.h. nach dem Ausfliegen kümmern sich die Altvögel nicht mehr um ihn. Das bedeutet, dass er voll flugtauglich sein muss und dass er das Jagen nach Insekten in kürzester Zeit beherrschen muss. Schafft er das nicht, gibt es keine zweite Chance und er fällt kraftlos vom Himmel. Auch zeigt ihm niemand den Weg über den Äquator ins Winterquartier nach Südafrika, wo er eine Überlebenschance hat.

Solche Beispiele gibt es noch Tausende und sie zeigen uns Menschen, dass wir keinen Grund zur Überheblichkeit haben. Solche Beispiele führen uns die Grossartigkeit und Einmaligkeit der Natur vor Augen und sie sollten uns Ehrfurcht und Hochachtung vor der Schöpfung lehren.

Bilder: Die Vögel der Schweiz                        
  





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