Exk. Neeracherried 14.05.11 - Ornithologischer Verein Gais AR

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Exk. Neeracherried 14.05.11

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Besuch im SVS-Naturschutzzentrum Neeracherried

Das Neeracherried ist mit 105 Hektaren Fläche eines der letzten grossen Flachmoore der Schweiz. Von einer intensiv genutzten Landschaft umgeben, bietet es Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten.
Der Maibummel vom 14.05.2011 des Ornithologischen Vereins Gais galt dem Besuch von diesem Riedgebiet unter der Leitung des jungen, sehr kompetenten Fachmannes Jonas Landolt.
Schon die Ankunft auf dem Parkplatz war von einem Highlight begleitet. Die Fahrzeugtüren öffneten sich und der nahe, klare Ruf eines Kuckucks drang an unsere Ohren. Merlin, der jüngste, aber äusserst versierte Teilnehmer der Gruppe schulterte sein Spektiv, rannte los mit dem Ziel, diesen geheimnisvollen Vogel ins Rohr zu bringen. Kaum richtig weg, war er auch schon wieder zurück mit der Aufforderung: "Beeilt euch, der Kuckuck sitzt im Fernrohr

Jonas Landolt
Merlin

Kuckucks-Kinder
Jonas Landolt nahm diesen sensationellen Auftakt zum Anlass, uns etwas über den in allen Kinderliedern besungenen Sonderling zu erzählen.  So z.B. über das wirtsspezifische Verhalten des Kuckuck-Weibchens, die zukünftigen Wirtseltern über den Ei-Austausch zu täuschen. Das bedeutet folgendes: wurde es selbst z.B. von einem Teichrohrsängerpaar aufgezogen, dann legt es seine Eier ebenfalls in Teichrohrsängergelege, denn die Färbung des Kuckuck-Eis entspricht sehr der Färbung der Eier seiner eigenen Zieheltern. Somit stimmt die Färbung, die bereits gelegten Eier der zukünftigen Wirtseltern werden entfernt - dass die Grösse nicht ganz stimmt, wird von diesen meistens akzeptiert.

Einfallsreiche Natur

Bei der  kleinen Bekassine aus der Familie der Schnepfenvögel konnten wir eine weitere Genialität der Natur bewundern. Sie besitzt einen gut 5 cm langen, mit hochempfindlichen Sensoren bestückten dünnen Schnabel, um Weichtiere wie etwa Würmer im Schlick zu orten und heraus zu ziehen. An einem Holzmodell wurde uns auf originelle und lustige Art vorgeführt, wie die Schnepfe dieses schwierige
mechanisch / physikalische Problem löst. An vielen weiteren Beispielen zeigte uns Herr Landolt den ungeheuren Einfallsreichtum der Tier- und Pflanzenwelt, immer darauf ausgerichtet, überleben zu können.
Die Schottischen Hochlandrinder sorgen dafür, dass die Wiesen nicht verbuschen und das Gras tief gehalten wird. Das wiederum hilft den Kiebitzen als reine Bodenbrüter und Nestflüchter bei der Jungenaufzucht.

Beobachtungsstationen
Beobachtungsschlitze

Ruftöne als Erkennungshilfe
Nach dieser äusserst  interessanten Einführung begaben wir uns - ausgerüstet mit  Feldstecher und Fernrohren - hinaus auf die beiden Beobachtungsstationen. Auf dem Weg dorthin, gurrte in einer Weide eine Taube. An ihrem 5-silbigen Ruf war sie klar als Ringeltaube zu identifizieren. Das tönt etwa so: Iss - Suur - chruut - Rue - di.
Eine Erkennungshilfe, die ganz brauchbar ist. Und dann auf den Stationen: Was da durch die Beobachtungsschlitze alles zu sehen war, einfach überwältigend. Direkt vor uns wiegte eine männliche Rohrammer auf einem dünnen Schilfrohr hin und her und liess ihren Reviergesang erklingen. Etwas daneben machte ein Schilfrohrsänger seine Revieransprüche geltend. Zu unserer Linken zeigten die Kiebitze ihre Balzflüge - oder waren es eher Revierkämpfe? Eine Blesshuhnfamilie mit niedlichen Jungen suchte in den schmalen Wasserläufen nach Futter, immer aufmerksam den Luftraum nach möglichen Räubern betrachtend. Weiter draussen kreisten lautlos und majestätisch die Greifvögel wie Mäusebussard und Milan. Im Vergleich dazu: wie plump, schwer  und lärmend  zogen die vielen Linienflugzeuge am Horizont vorbei. Und dann plötzlich - selbst zur Überraschung unseres Begleiters - ein sehr selten gesehener Gast, ein Kuhreiher.
Auch die herrliche Pflanzenvielfalt beeindruckte uns. Wunderschöne Weiden ganz verschiedener Gattungen, Schilfe, Gelbe Schwertlilien, Sibirische Schwertlilien, Knabenkraut, Kuckuckslichtnelken etc.
Der zweite Beobachtungsposten präsentierte sich ganz anders. Auf dem offenen Teich sind 5 künstlich angelegte Inseln zu sehen.  Durchwegs sind sie belegt mit Lachmöwen und ihren drolligen Jungen, so richtig kleine, braun-weisse Flauschbälle.
Eine einzige Mittelmeermöwen-Familie  hat sich unter die  Lachmöwenkolonie gemischt, eine nicht geringe Gefahr für die kleinen Flauschbälle, aber das ist eben auch Natur. Der Abschluss des Teichs wird gebildet durch einen dichten Schilfgürtel, der wieder anderen Wasservögeln Schutz und Sicherheit bietet für die Jungenaufzucht.

Rohrammer
Blesshuhn
Lachmöven
Mittelmeermöven

Blick ins Wildbienenhotel
Und nun noch ein Blick in das Wildbienenhotel. Als Wildbienen bezeichnet man sämtliche Bienenarten der Überfamilie Apoidea  mit Ausnahme der Honigbiene und nicht etwa wildlebende Urformen oder verwilderte Stämme der Honigbiene. Bei uns gibt es ca. 500 Wildbienenarten. Die Bestäubung durch Wildbienen und Hummeln kann schon im März, also bei Kälte und bedecktem Himmel erfolgen. Dies macht diese Insekten selbst für den Erwerbsobstbau zum erwünschten Nützling. Ein Honigbienenvolk besteht kontinuierlich über mehrere Jahre, ganz im Gegensatz zu den andern sozial lebenden Wildbienenvölkern. Nach der Vegetationszeit stirbt der Staat bis auf die jungen, begatteten Königinnen. Diese überwintern und bilden im nächsten Frühjahr einen neuen Staat. Durch den Sauberkeitsfimmel unserer Gesellschaft verlieren die Wildbienen immer mehr Nistmöglichkeiten für ihren Nachwuchs. Wildbienenhotels können dieser Entwicklung etwas entgegen halten.

Wildbienen1
Wildbienen2

Unser Besuch im Neeracherried hat uns einmal mehr gezeigt, welch grossartige Überlebensstrategien die Natur entwickelt hat. Sie hat uns aber auch gezeigt, wie  sehr sie unter der Intensivbewirtschaftung, der Verschmutzung ihrer Lebensräume und der Uneinsichtigkeit des Menschen leidet.    

Frosch

Text: Rainer Ernst  

Fotos: Wolfgang Vorderwühlbecke, Merlin Hochreutener, Reini Wick

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