Exkursion Riederenalp 21
Vogelschutz
Der Ornithologische Verein Gais fliegt
aus
Mitglieder
und Zugewandte des Ornithologischen Vereins Gais – eine bunt gemischte Gruppe von
21 Naturbegeisterten zwischen 8 und 82 Jahren – reisten letztes Wochenende ins
Unesco Weltkulturerbe „Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch” im Wallis.
Ziel war das
auf der Riederfurka, oberhalb der Riederalp gelegene Pro Natura Zentrum
Aletsch, die Villa Cassel. Erkundung der Gegend und eine Exkursion zur
Beobachtung von Hirschen bei der Brunft und Birkhähnen bei der Herbstbalz
standen auf dem Programm.
Nach einem
freundlichen Empfang im Zentrum wurde die Umgebung erwandert. Bei schönstem
Wetter ging es bergauf durch den geschützten Arvenwald auf eine Bergkrete mit
wunderbar herbstlich orange-rot gefärbten (und zum Dessert Schmaus einladenden)
Heidelbeerstauden, intensiv pink blühenden Erika, lila Herbstenzian und dunkel-blaugrünem
Wacholder. Vor dem Hintergrund des blauen Himmels mit einigen weissen Wolken
konnte man in einen richtigen Farbenrausch eintauchen.
Noch
intensiver wurde die Erfahrung weiter oben, wo sich eine fantastische Rundsicht
eröffnete: Alpweiden, trocken-heisse Felspartien, dahinter die Walliser 4000er
und als Highlight der imposante Aletschgletscher, der sich scheinbar mühelos
und geschmeidig zwischen den Bergen Richtung Rhonetal hinunterwindet. Staunen
und Ehrfurcht tauchten auf beim Anblick der einzigartigen Landschaft, die der
Gletscher in tausenden von Jahren geformt hat.
Über den
sogenannten Moränenweg ging es dann, begleitet vom Kreischen der Tannenhäher
und scheu vorbeifliegenden Berpipern, zurück zur Villa Cassel. Einige
Unentwegte zog es danach gleich weiter auf den Gipfel des Riederhorns, wo zur
allseitigen grossen Freude beim Abstieg ein Rudel Gämse gesichtet werden konnte.
Im Zentrum
wartete ein leckeres Abendessen in ganz besonderem Ambiente, dessen Hintergrund
auf Ausstellungstafeln dokumentiert und von der Gruppe eifrig diskutiert wurde:
Die in der Landschaft exotisch wirkende Villa ist anfangs des 20. Jahrhundert
von einem reichen englischen Bankier, Sir Ernest Cassel, als Sommerresidenz
erbaut worden. Viele bekannte Persönlichkeiten aus Adel, Politik und Hochfinanz
wurden hier beherbergt – unter anderem auch der junge Winston Churchill. Später
wurde die Villa als Hotel geführt. 1976 ging sie in den Besitz von Pro Natura über,
die darin das erste alpine Umweltbildungszentrum der Schweiz begründete.
Umweltbildung
wollten auch die Gaiser Gäste erleben. Alle freuten sich auf die für Sonntag in
der Früh angesagte Exkursion auf den Spuren von Hirsch und Birkhahn. Leider
spielte das Wetter nicht mit, es regnete in Strömen. Zumindest die vordersten
Mitglieder der Gruppe hatten aber das Glück, einige Hirsche und Gämsen zu
sichten bevor sie wieder in der Tiefe des Waldes verschwanden. Umso mehr
beeindruckten die knorrigen, uralten Arven, die im Lauf der Jahrhunderte
sichtlich vielen Unwettern getrotzt haben. Ihr Anblick in der neblig-nassen,
mystisch wirkenden Morgendämmerung weckte stilles Staunen und regte die
Phantasie an. Zurück im Zentrum erzählte die Exkursionsleiterin viel
Wissenswertes über die Lebensweise von Hirschen und Gämsen.
Leise und unbemerkt hatte es in der Zwischenzeit zu schneien begonnen – gerade richtig, um auch noch die hoch interessante Gletscherausstellung im unteren Stock zu besuchen.
Mit einem manuell bedienbaren Zeitrad konnten die Dynamiken rund um den Aletschgletscher anhand von kurzen Texten und Animationen auf einem dreidimensionalen Modell mitverfolgt werden. Die Zusammenhänge zwischen Klimaerwärmung und Veränderung des Ökosystems wurden so eindrücklich nachvollziehbar – und machten sehr betroffen. Der Gletscher ist ein äusserst sensibler Gradmesser, für das, was sich in dieser Hinsicht zurzeit abspielt. Mit seinen 23 Kilometern Länge ist er zwar immer noch der längste Eisstrom der Alpen. Doch geht er schon länger jährlich bis zu 50m zurück. Es ist absehbar, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. ETH-Forscher haben errechnet, dass vom Gletscher um die nächste Jahrhundertwende nur mehr kleine Eisreste an der Flanke der Jungfrau übrig sein werden, wenn die Klimaerwärmung so weitergeht.
Kaum vorstellbar, dass die Vorfahren der heutigen Walliser noch anfangs 19. Jahrhundert mit Prozessionen den Gletscher beschworen und gesegnet haben, um ein weiteres Vorstossen zu verhindern, da dies ihre Weidegründe bedrohte. Heute wird darum gebetet, dass er erhalten bleibt, ist er doch Wasserspeicher und -spender für das ganze Rhonetal.
Diese eindringlichen, ansprechend aufbereiteten Informationen, verbunden mit den eindrücklichen Erfahrungen in der Landschaft selber, haben zu angeregten Gesprächen geführt. Ihre Essenz wurde durch die indianische Weisheit beim Ausgang der Ausstellung auf den Punkt gebracht: „Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen.”
Nach einer letzten Stärkung mit Kaffee und Kuchen hiess es Abschied zu nehmen und durch den Neuschnee zurück zur Riederalpstation zu stapfen.
Das Wochenende klingt nach: die wunderbaren landschaftlichen Eindrücke, die wohlwollend heitere Stimmung in der Gruppe, das gemeinsame Lachen, das Miteinander-Unterwegs-Sein in Begeisterung und mit Achtsamkeit für die Natur.
Text: Sandra Lutz
Fotos: Reini Wick u.a.